(CIS-intern) – Heute erreichte uns folgende Pressemeldung, die wir gerne hier veröffentlichen. Der Streit um völlig überhöhte GEMA-Gebühren für Clubs und Veranstalter scheint entgegen vieler Berichte in den konservativen Medien doch nicht vorbei zu sein. Stellungnahme von kutur-retten zur „Tarifeinigung“ zwischen GEMA und Clubs.
Die Tagespresse schrieb am 12.12.2013 ganz euphorisch von einem „beigelegtem Streit“ zwischen Clubbetreibern und der GEMA. Die Tarife wurden gar als „angemessen“ bezeichnet und die Proteste von 2012 sollten angeblich wirkungsvoll gewesen sein. Zitiert wurde in der Presse vor allem aus der Pressemeldung der Bundesvereinigung der Musikveranstalter, welche dem DEHOGA zuzuordnen ist. Die Berichterstattung war so positiv und in zahlreichen sehr namhaften Magazinen zu finden, dass auch openPetition die Erfolgsmeldungen übernahm.
PM: Andre Knoop / pixelio.de
Das Bündnis kultur-retten, das sich mit der Petition gegen die Pläne der GEMA stark gemacht hatte, kommt mit allerdings zu einer anderen Bewertung der „Einigung“ als der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). Insbesondere der Blick auf die Konsequenzen für Clubs und Diskos zeigen, dass die positive Einschätzung der Tarifeinigung nicht für alle Betroffenen gilt.
Da die Webseite von kultur-retten.de seit längerer Zeit nicht mehr online ist und damit auch die ursprünglichen E-Mail-Adressen des Bündnisses verloren gingen, konnte openPetition zunächst keine alternative Stellungnahme von kultur-retten ausfindig machen. Das holen wir hiermit nach.
Nachgerechnet – Mathematische Fakten des Tarifs M-CD Zum Glück gibt es immer noch Journalisten, die 2012 noch in guter Erinnerung haben und daher nicht voreilig Pressemeldungen Glauben schenken. Einige machten sich daher mit einem Taschenrechner und den Tarifen ans Werk und rechneten nach, was behauptet wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass man sich die Tarife von 2012 (http://www.lsb-bremen.de/getfile.aspx?id=1755) als Vergleichsgrundlage heranziehen muss, um eine unverfälschtes Bild zu erhalten, da bereits zum 01.01.2013 und 01.04.2013 Erhöhungen um insgesamt 15% erfolgten. Einige Clubbetreiber äußern sich nun deutlich und fühlen sich „von dem DEHOGA ans Messer geliefert.“
Es gibt mittlerweile zahlreiche Rechenbeispiele, die die voreiligen Aussagen der Tagespresse und Magazine als mangelhaften Journalismus entlarven.
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), das im Tarifstreit vermittelte, wählte im Schiedsspruch im April 2012 dieses Beispiel: 200-300m2 Veranstaltungsfläche, 6 Euro Eintritt, 2 Tage die Woche geöffnet
Tarif 2012: 497,62 Euro/Monat
Tarifvorschlag DPMA: 744,00 Euro/Monat
Tarif M-CD ab 2014: 827,04 Euro/MonatSomit eine Preissteigerung von 66% und somit 11% über dem DPMA-Vorschlag
Der Verband der Münchner Kulturveranstalter (VdMK e.V.) mit einem Beispiel eines kleinen Innenstadtclubs: 77m2 Fläche, 4 Euro Eintritt, 7 Tage die Woche geöffnet
Tarif 2012: 2.761,80 Euro/Jahr
Tarifvorschlag DPMA: 4.526,16 Euro/Jahr
Tarif M-CD ab 2014: 7.235,64 Euro/JahrSomit eine Preissteigerung von 162% und somit 60% über dem DPMA-Vorschlag
VdMK e.V. mit einem Beispiel eines Münchner Clubs mittlerer Größe: 305m2, 6 Tage die Woche, 8 Euro Eintritt
Tarif Stand 2012: 7.040,40 Euro
Tarifvorschlag DPMA: 21.725,57 Euro
Tarif M-CD ab 2014: 43.250,40 Euro
Somit eine Preissteigerung von 514% und somit 99% über dem DPMA-Vorschlag
Was sagte das DPMA? Interessant ist hierbei die Äußerung der Schiedsstelle in ihrem Schiedsspruch von April 2013:
„Der Meinung der Antragstellerin (GEMA), dass gerade für Diskotheken eine deutliche Erhöhung der Lizenzsätze erforderlich sei, ist die Schiedsstelle – wie vorstehend dargelegt – im Rahmen der Angemessenheit unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 3 S. 4 UrhWG gefolgt. Eine weitere Erhöhung ist nicht sachgerecht. Zwar ist die bisher für Räume ab einer Größe von 100 qm zu zahlende Vergütung nach den Tarifen M-U III.1.c) in Höhe von 247,66 Euro die Folge einer schon im Jahr 1957 vereinbarten und dann langjährig praktizierten Verhandlungslösung.
Doch selbst wenn man daraus den Schluss zieht, dass die Antragstellerin zumindest gegenüber den Diskothekenbetreibern insoweit eine besonders große Nachgiebigkeit gezeigt hat, ist es nicht nachvollziehbar, dass es der Antragstellerin (GEMA) im Laufe der nachfolgenden Jahrzehnte nicht möglich gewesen sein sollte, sich von dieser zu nachgiebigen Verhandlungslösung zu befreien und eine Erhöhung der Lizenzsätze durchzusetzen.“ Quelle: Schiedsspruch DPMA April 2013 (https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Presse/Top-Themen/Tariflinealisierung/schiedsspruch_130410.pdf)
Fakt ist also, dass die GEMA sich nicht an die Empfehlung des DPMA hält, wobei die Beispiele zeigen, dass der Vorschlag des DPMA zum Teil sehr deutlich überschritten wird.
Einführungsrabatte – Die schleichende Vergiftung der Kultur Richtig ist, dass die GEMA eine 8-jährige Phase mit Rabatten für die Markteinführung gewährt, aber am Ende stehen die Clubs den Kostensteigerungen der tatsächlich geplanten Tarife gegenüber und müssen mit diesen schon heute ihre Zukunft planen. Diese Einführungsrabatte können mit einer schleichenden Vergiftung der Kultur verglichen werden, kulturell wertvolle aber wirtschaftlich nicht immer sinnvolle Nischen werden als erstes darunter zerbrechen, die kulturelle Vielfalt ist gefährdet. Die Kultur wird zunehmend kommerzialisiert.
Härtefallregelung bietet keine Planungssicherheit Die nun umbenannte ehemalige Härtefallregelung (maximal 10% der Eintrittsgelder inklusive der darin enthaltenen Mehrwertsteuer) wurde in der Vergangenheit Veranstaltern von der GEMA auch verwehrt. Man kann sich daher also nicht auf diese Regelung verlassen und so hat ein Veranstalter nur dann Planungssicherheit, wenn er nach den tatsächlichen Tarifen kalkuliert ob eine Veranstaltung durchgeführt werden kann oder nicht.
Paartanz? – Für die GEMA unbekannt Es wird in den Tarifen kein Unterschied gemacht ob z.B. ein Tango-Argentino oder Salsa- Abend oder eine rauschende Clubnacht veranstaltet wird. In den letzten 10 Jahren hat gerade Salsa Jung und Alt dazu bewegt, über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg, gemeinsam auszugehen und eine Tanzkultur zu adoptieren. Ein solcher Abend benötigt für die Tänzer schlicht deutlich mehr Platz als ein Clubabend und es können auf Grund des Tanzes nicht viele alkoholische Getränke konsumiert werden. Diese Szene steht nun endgültig vor dem Aus, da die benötigten Flächen die Zahlungen an die GEMA weiter in die Höhe treiben.
Keine 14tägige Veranstaltungen mehr! Der Tarif M-CD beinhaltet mehrere Punkte, die diskussionswürdig sind. Ein Beispiel: Es wird „(b)ei unterschiedlich vielen wöchentlichen Regelöffnungstagen (…) die jeweils höchste Anzahl zugrunde“ gelegt. Wer also bisher jede zweite Woche eine Veranstaltung durchführte, kann diese nun getrost einstellen, da er sonst eine nicht existierende Veranstaltung in der Woche zu zahlen hat, in der diese 14-tägige Veranstaltung nicht stattfindet. Hier werden von der GEMA Einnahmen generiert, die gar nicht existieren.
VR-Ö – Urheberrechtlich nicht zulässig für reine DJs Während der Verhandlungen hat die GEMA die Vervielfältigungen aus den Tarifen entfernt und fordert seit dem 01.04.2013 von den DJs Zahlungen nach Tarif VR-Ö. Dies geschah unter dem Irrglauben von GEMA und DEHOGA, dass auch im UrhG uneingeschränkt das Verursacherprinzip gelten würde. Wieso dies jedoch mit dem UrhG nicht zu vereinbaren ist, wird von Dr. Poll auf der Website von ,Phoenix‘ dem Projekt des gemeinnützigen Vereins DigitalAnalog e.V. erklärt. Wer den Schiedsspruch des DPMA studiert, findet dort ebenfalls die Ansicht, welche Herr Dr. Poll vertritt.
„Nicht alles, was nachvollziehbar oder aus der Sicht der GEMA zweckmäßig erscheint, ist aber auch urheberrechtlich zulässig.
Denn im Urheberrecht gibt es den Grundsatz, dass nur solche Nutzungen selbständig lizensierbar sind, die technisch und wirtschaftlich eigenständig sind. Das trifft auf die Vervielfältigungen von Musik, die ein DJ zum Zweck der öffentlichen Wiedergabe dieser Musik bei seinen Auftritten in Diskotheken vornimmt, nicht zu. Zwar handelt es sich zweifellos um Vervielfältigungen im Sinne von § 16 UrhG. Diese können aber nicht als solche – losgelöst von ihrer Verwendung im Diskothekenbereich – lizensiert werden, weil es insoweit lediglich um notwendige, aber rechtlich unselbständige Vorbereitungshandlungen für die damit bezweckte Nutzung (öffentliche Wiedergaben) geht. Der Tarif VR-Ö ist daher – abgesehen von weiteren Fehlern – mit dem geltenden Urheberrecht nicht zu vereinbaren.“ Quelle: Projekt Phoenix – DigitalAnalog e.V. http://www.digitalanalog.org/phoenix/kommentar/
– Informationen zu den Veranstaltungstarifen und auch zu VR-Ö aus Sicht des VdMK findet man in der Pressekonferenz vom 17.12.2013 http://www.youtube.com/watch?v=6k25-0HW7bI&feature=youtu.be
– Informationen weshalb der Tarif VR-Ö nicht für reine DJs gelten kann findet man auf der Seite von ,Phoenix‘, dem Projekt des gemeinnützigen DigitalAnalog e.V. http://www.digitalanalog.org/phoenix/partner/
Auch in diesem Jahr ist es also notwendig, dass man Pressemeldungen nicht leichtfertig Glauben schenkt, sondern kritisch bleibt und sich die Zeit nimmt, einmal nachzurechnen, welche Erhöhung den Clubs bevorstehen.
Das DPMA (Deutsches Patent und Marken Amt) kritisierte in seinem Schiedsspruch mit klaren Worten das Vorhaben der GEMA im Jahr 2012. An dieser Argumentation des DPMA hat sich bis heute nichts geändert. Da die GEMA den Schiedsspruch des DPMA anscheinend nicht als bindend betrachtet, stellt sich die Frage: Wer hat überhaupt noch die Aufsicht über die GEMA, die keine Konsequenzen zu fürchten scheint?
Michael Beyer
von kultur-retten
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