(CIS-intern) – Die Bürgerbeteiligung zur 380 kV-Westküstenleitung hat zu verbesserten Planungen für Anwohner, Naturschutz und Landwirtschaft geführt. So wurden Ergebnisse des Dialoges bei einem wichtigen Planungsschritt – den Untersuchungen zur Auswahl von Vorzugskorridoren – einbezogen und haben zu neuen Planungsoptionen auf den Tisch gebracht. Aufgrund der Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern sollen Trassenalternativen in die weiteren, genaueren Planungen einbezogen werden. Diese Ergebnisse stellte heute (9. Dezember 2013) Energiewendeminister Robert Habeck gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe als Moderator des Prozesses und dem Netzbetreiber und Vorhabenträger TenneT auf einer Konferenz in Husum vor.
„Mehr als 1.800 Betroffene haben sich in die Planungen einbracht und mit Kritik und Ideen den Prozess vorangetrieben. Die Menschen zwischen Heide und Niebüll bewegt vor allem der Schutz ihres Wohnumfeldes, es geht ihnen um einen möglichst großen Abstand zwischen der Leitung und den Wohnhäusern“ sagte Habeck. „Die Qualität der Hinweise war dabei beeindruckend. Es ist ihnen zu verdanken, dass wir schon weit vor Beginn eines Planfeststellungsverfahrens mehr Klarheit über die Gegebenheiten vor Ort haben“, sagte Habeck. „Die Westküstenleitung zum Abtransport des Windstroms von der Westküste wird ohne Frage ein Eingriff in die Landschaft bedeuten. Aber durch die frühzeitige Einbeziehung der Betroffenen konnten wir schon manches an Verbesserungen erreichen und viele Anregungen für den weiteren Prozess mitnehmen. Das macht den Dialog zum Erfolg.“
Ebenfalls beeindruckt von dem Engagement der Region zeigt sich Christian Schneller, Leiter für den Netzausbau an Land vom planenden Netzbetreiber TenneT. „Zu so einem frühen Zeitpunkt bereits so vertiefte Kenntnisse des Planungsraumes vorliegen zu haben, ist ein besonderes Resultat des Dialogs“, betonte Schneller. „Netzausbau funktioniert nur, wenn es dafür auch Akzeptanz gibt. Es ist TenneT deshalb wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe zu begegnen und sie mit in die Prozesse einzubeziehen. Wir wissen bei TenneT aber auch, dass Transparenz und Dialog auf Dauer nur funktionieren, wenn Mitgestaltung auch im Ergebnis der Planungen sichtbar wird.“
„Die konkreten Hinweise aus dem Dialog beispielsweise zu Siedlungsbetroffenheiten, Vogelschutz und Denkmalpflege haben Eingang bei der Auswahl der vorläufigen Vorzugstrasse gefunden“ machte Schneller deutlich. Der Netzbetreiber TenneT erläuterte auf der Konferenz, in welchem voraussichtlichen Planungskorridor zu Beginn des nächsten Jahres mit der feinmaßstäblichen Trassenplanung beginnen wird.
Im Rahmen des Dialogprozesses ist es TenneT gelungen, schon früh Aussagen über die vorläufige Auswahl eines vorzugswürdigen Korridors jeweils für die Abschnitte 3 und 4 zu machen. Dabei haben sich die Varianten 3.3b auf dem Abschnitt Heide-Husum und 4.1. auf dem Abschnitt Husum – Niebüll nach derzeitigem Stand als vorzugswürdig erwiesen. Diese schneiden in der Gesamtsumme der Bewertung der Schutzgüterbetrachtung am besten ab. Die Auswahl der Korridore erfolgte auf Basis der Erkenntnisse des vorgezogenen Dialogprozesses mit Kommunalveranstaltungen und Fachdialogen.
„Die Gespräche und Diskussionen vor Ort waren kontrovers und auch emotional – aber überwiegend sachlich“ sagte Moderator Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe. „Der Informationsgewinn war dabei auf Seiten aller extrem hoch“. Nach seiner Einschätzung können solche Dialogprozesse Beispiel für eine neue, bürgernähere Planungskultur sein.
Im Weiteren hat der Dialog zu folgenden Planungsoptionen geführt:
- Eine wesentliche Anregung zahlreicher Bürgerinnen und Bürger und auch der Naturschutzverbände für die Planung war, dass die in der Region bereits bestehenden, kleineren 110 kV-Leitungen und die neue 380 kV-Leitung zusammengeführt werden sollen (sogenannte Mitnahme), um die Eingriffe in die Landschaft zu verringern. Zur Realisierung dieser Planungsoption wurden von den zuständigen Netzbetreiber TenneT (380 kV-Netz) und E.ON (110 kV-.Netz) und der Bundesnetzagentur technische und regulatorische Fragen geklärt. So sehen die Planungen nun eine weitestgehende Mitnahme der 110 kV – Leitung auf einem gemeinsamen Gestänge mit der 380 kV – Leitung vor.
- Es konnten naturschutzrechtliche Knackpunkte geklärt werden, zum Beispiel die Frage, ob Strommasten auf den Knick gestellt werden dürfen: Das wird möglich sein, solange die Leitung nicht längs über den Knick läuft und der gesetzliche Knickschutz gewährleistet bleibt. Vielen Landwirten wird das die Arbeit erleichtern.
- Für die besondere planerische Herausforderung – die Querung der Eiderniederung – wurden fachlich fundierte Vorschläge in das Dialogverfahren eingebracht und konnten bereits planerisch aufgegriffen werden: Um das Kollisionsrisiko für Vögel zu reduzieren, sind für die gesamte 380-kV-Westküstenleitung Vogelschutzmarker vorgesehen. Ebenfalls wird im Rahmen des Planungsverfahrens geprüft werden, ob durch eine Teilerdverkabelung einer bestehenden 110kV-Leitung in der Nähe der zu errichtenden 380 kV-Leitung das Kollisionsrisiko kompensiert und der Landschaftseingriff unter dem Strich gemindert werden können.
- Als besonderes Ergebnis ist hervorzuheben, dass im Zuge des Dialogverfahrens sehr konstruktive Vorschläge zur Untersuchung weiterer Trassenalternativen eingebracht wurden, sowohl von Gemeinden als auch von Bürgergruppen, für die absehbar ist, dass sie von der neuen Leitung betroffen sein könnten. Diese Vorschläge werden nun bei der weiteren Feinplanung durch den Planer näher betrachtet. „Das ist der wichtigste planerische Einfluss, den betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Dialogverfahrens geltend machen können – auch für das Ausloten von einvernehmlichen Lösungen“ unterstrich Habeck.
- Ein sehr wichtiges Thema im Dialogprozess war auch der dringende Wunsch nach technologischem und politischem Fortschritt beim Thema Erdverkabelung. „An der Westküstenleitung brauchen wir eine Leitung, die den dezentral erzeugten Strom aus der Windenergie einsammelt und in die Verbrauchszentren ableitet. Dafür ist die vieldiskutierte HGÜ-Technik (Gleichstrom) nicht die geeignete Technologie, und das Drehstrom-Erdkabel technisch für eine Vollverkabelung noch weit vom Stand der Technik entfernt. Deshalb erscheint es mir auch nach den vielen Diskussionen richtig, dass der Bundesgesetzgeber die Westküstenleitung als Drehstrom-Freileitung festgelegt hat“, sagte Habeck. Erdkabel müssen sich aber sich perspektivisch zum Stand der Technik entwickeln.
Das Dialogverfahren konnte nur so erfolgreich sein, weil sich die Kreise Nordfriesland und Dithmarschen, der Netzbetreiber TenneT und Ministerium für Energiewende auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt und gemeinsam mit vereinten Kräften durchgeführt haben. Die regionale Verankerung des Prozesses durch die Kreise und insbesondere die Unterstützung durch die Ämter und Gemeinden sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gelingen gewesen – ebenso wie die kompetente und unabhängige Moderation durch die Deutsche Umwelthilfe.
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Es fanden vier große Konferenzen, zehn kommunale Veranstaltungen und sechs Fachgespräche statt. Daran nahmen Bürgerinnen und Bürger, Bürgerinitiativen, Naturschutzverbände, Denkmalschützer, Fachreferenten, Kommunalpolitiker und Vertreter der Kreisverwaltung teil. Rund 300 konkreten Konsultationsbeiträgen sind Beleg für den Informationsbedarf und der Bereitschaft sich in die Planungen einzubringen.
„Mit dem Dialogverfahren Westküstentrasse weit vor dem formalen Genehmigungsverfahren haben alle Beteiligten gemeinsam Neuland betreten. Der Ergebnisbericht zeigt, wie weit wir gekommen sind, wo wir auf dem gemeinsamen Weg stehen und welche Strecke wir noch vor uns haben“ sagte Habeck. Sowohl der Netzbetreiber TenneT und das Ministerium für Energiewende betonten, dass der Dialog mit der Ergebniskonferenz nicht endet. Das bisherige Verfahren stellt einen Baustein in einem insgesamt planungsbegleitenden Dialogprozess bis vor dem Beginn des formellen Planfeststellungsverfahrens dar. TenneT sucht hierfür das Gespräch mit den Gemeinden in „Planungsgesprächen“, wird direkt auf Betroffene und Bürger in Rahmen von Infomärkten zugehen und beruft gegebenenfalls themen- bzw. regionalspezifische planungsbegleitende Arbeitsgruppen ein.
Hintergrund:
Nahezu die Hälfte des in Schleswig-Holstein erzeugten Windstroms wird heute und in Zukunft an der Westküste produziert. Der Bau der 380-kV Leitung von Brunsbüttel nach Niebüll ist daher eines der zentralen Infrastrukturprojekte in Schleswig-Holstein. Die Westküstenleitung ist Teil des Netzausbaukonzepts für Schleswig-Holstein, wurde im Netzentwicklungsplan als notwendige Ausbaumaßnahme von der Bundesnetzagentur bestätigt und hat im Sommer 2013 auch Eingang in das Bundesbedarfsplangesetz der Bundesregierung gefunden. Für ihren Bau ist TenneT als der für Schleswig-Holstein verantwortliche Höchstspannungsnetzbetreiber zuständig. Nach derzeitigem Planungsstand soll die Leitung im Jahr 2018 auf allen vier Abschnitten in Betrieb gehen.
Damit die voraussichtlich etwa 150 Kilometer lange Leitung schnell, und für Mensch und Natur verträglich geplant und gebaut werden kann, haben das Land Schleswig-Holstein, die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland sowie die TenneT TSO GmbH zu Jahresbeginn 2013 einen gemeinsamen Dialogprozess unter Federführung des Landes in Gang gesetzt.
Den Ergebnisbericht finden Sie hier:
http://www.schleswig-holstein.de/Energie/DE/Beteiligung/Termine/01_Vorgezogene_Buergerbeteiligung/Vorgezogene_Buergerbeteiligung_node.html
PM: Nicola Kabel | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume